Face off! Menschen, die unter einer körperdysmorphen Störung oder Dysmorphobie („Hässlichkeitswahn“) leiden, sind mit ihrem Erscheinungsbild in hohem Maße unzufrieden. Oftmals geht es dabei um Teile des Gesichts wie Hautfarbe, Kinn, Kiefer oder Kopfform. Sie beschäftigen sich übermäßig mit dem subjektiv empfundenen Mangel oder einer wahrgenommenen Entstellung, was zu einem hohen Leidensdruck häufig einhergehend mit einer starken Beeinträchtigung der beruflichen und sozialen Fähigkeit führt. Um den empfundenen Mangel zu korrigieren, wünschen sich viele Betroffene eine Ästhetische Gesichts-OP. „Doch Vorsicht“, rät die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) von der Durchführung des Eingriffs ab, „denn diese Patienten werten das Ergebnis häufig als Misserfolg, womit das Problem nicht beseitigt ist.“

„Obwohl unsere heutigen ästhetischen Ideale und die gesellschaftliche Bedeutung des Aussehens wahrscheinlich einiges zum vermehrten Auftreten der Störung beitragen, ist sie bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert“, sagt Prof. Dr. phil. H. Znoj von der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie der Universität Bern aus fachübergreifender Sicht. Da das Gesicht als Ausdruck der Identität multidisziplinäre Fragestellungen aufweist, tauscht sich die DGMKG mitunter auch fachübergreifend beispielsweise mit Spezialisten der Psychologie aus.

Verhaltensauffälligkeiten auf der Spur
An Dysmorphobie leiden geschätzt 1 – 2,5 % der Bevölkerung, eine hohe Dunkelziffer wird angenommen. Der Patientenanteil bei Dermatologen oder Plastischen Chirurgen liegt bei auffälligen 15 %. Überdies haben Studien nachgewiesen, dass diese Störung bei bestimmten Subgruppen wie Bodybuildern oder Anhängern der Goth-Szene ebenfalls um einiges weiter verbreitet ist. Die Auffälligkeit beginnt meist in der Kindheit und verläuft chronisch. Betroffene verfügen nach Znojs Untersuchungen vielfach über einen perfektionistischen Denkstil und maladaptive (einst entwickeltes Verhalten, um das Ich zu schützen, das nun mehr schadet als nützt) Überzeugungen über Attraktivität, was oft zu sichtbaren zwanghaften und repetitiven Verhaltensweisen und damit einhergehend sozialem Rückzug führt. Grund dafür mag in einem unausgeglichenen Serotoninhaushalt liegen. Patienten mit Dysmorphobie weisen überdies verschiedene kognitive Defizite, Defizite in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Gesichtern, der generellen Emotionserkennung in Gesichtern und psychische Störungen auf. Aufgrund der Nähe zu emotionalen Störungen wie der Zwangsstörung folgern Wissenschaftler – auch wenn bisher keine evidenzbasierte Therapie existiert und Wirksamkeitsstudien bezüglich pharmakologischer und psychologischer Interventionen fehlen – inzwischen, dass die Dysmorphobie grundsätzlich durch kognitiv-behaviorale Ansätze und Antidepressiva gebessert werden kann.

Wahrgenommener OP-Misserfolg trotz erfolgreichem Ergebnis
An Dysmorphobie Leidende werten Medizineraussagen zufolge oftmals eine ästhetische Gesichtsbehandlung als Misserfolg, da sich auch nach dem Eingriff die emotionale Verarbeitung und Bewertung nicht geändert hat. „Daher sollte vor jeder ästhetischen Gesichtskorrektur unbedingt eine ausführliche diagnostische Abklärung erfolgen“, empfiehlt die DGMKG ihren Mitgliedern. Ist der Wunsch nach Veränderung krankhaft motiviert, rät sie von einem Eingriff ab.